Ich liebe mein Leben. Ja, wirklich. Ich habe so viele tolle Dinge in den letzten Jahren erlebt und gesehen. Ich bin mit der Liebe meines Lebens seit 9 Jahren unzertrennlich. Meinen Freundeskreis würde ich gegen nichts auf der Welt eintauschen. Auch meine Hunde geben mir jeden Tag ein so unbeschreibliches Gefühl von Liebe. Sogar meine Arbeit mag ich gerne. Und trotzdem sitze ich hier. Traurig. Erschöpft. Ängstlich. Wie es dazu gekommen ist? Naja, Anzeichen gab es viele. Ernst genommen habe ich leider kein Einziges.
Nun aber mal zum Anfang. 2018 war eigentlich ein tolles Jahr. Eigentlich. Neben den vielen wunderbaren Dingen, die passiert sind, sind leider auch viele Dinge passiert, die mich emotional stark belastet haben. Ich habe es meist mit einem „das wird schon wieder“ aus meinen Gedanken verbannt. Dass ich aber jeden Abend meist um 18 Uhr ins Bett gefallen bin und eigentlich nur noch schlafen wollte, war im Nachhinein schon das erste Anzeichen, etwas an meinem Lebensstil zu ändern. Ich habe es ignoriert und mein Tempo so weitergelebt. Wieso auch nicht? Hat ja bisher auch irgendwie funktioniert. Generell habe ich mir im letzten Jahr mehr Gedanken um andere gemacht, als um mich selbst. Mir ging es nicht mehr darum, was für MICH gut ist, sondern dass es allen anderen gut geht und sie das Richtige von mir denken. Ich wollte es jedem recht machen. Privat und beruflich. So ist es dann passiert… An einem Abend, an dem ich eigentlich aus gesundheitlichen Gründen zuhause bleiben wollte, bin ich doch zu einer Party gefahren. Auf der Fahrt dorthin habe ich im Auto plötzlich Kreislaufprobleme bekommen. Ich dachte zumindest es seien Kreislaufprobleme, heute weiß ich, es war eine Panik- und/oder Angstattacke. Dabei ist es leider nicht geblieben.
Ich hatte keinen Hunger mehr. Mir war ständig übel. Ich dachte zuerst es sei vielleicht ein Magen-/Darminfekt und erholte mich ein paar Tage im Bett. Doch leider gingen die Beschwerden nicht weg, sondern wurden immer schlimmer. Heftige Magenschmerzen, Schlaflosigkeit, ständiges Zittern (Angst), Schweißausbrüche und das Gefühl „Irgendwas stimmt mit mir nicht“ kamen etappenweise hinzu. In dieser kurzen Zeit habe ich 6 kg abgenommen. Es ging einfach nichts mehr. Von den Ärzten habe ich mich in dieser Zeit nicht ernst genommen gefühlt. Meist wurde mir nur schnell irgendwas verschrieben (z. B. Schlaftabletten) und wir sind wirklich zu zig Ärzten gefahren – auch mitten in der Nacht. Zwei Magenspiegelungen und eine Darmspiegelung habe ich nun hinter mir. Und was soll ich sagen? Organisch ist alles in Ordnung. Bis auf eine leichte Magenschleimhautentzündung wurde nichts gefunden. Ich konnte es kaum glauben. Wir waren über Wochen hinweg davon überzeugt, dass es etwas organisches sein MUSS. Wie konnte ich also solche starke Magenschmerzen spüren, ohne das tatsächlich etwas im Magen liegt? Es dauert einige Wochen, bis es bei mir „Klick“ gemacht hat und ich feststellen musste, dass die Schmerzen psychisch entstanden sind. Ich war völlig ausgebrannt und leer. Nach dieser Erkenntnis fühlte ich mich noch hilfloser. Glaubt mir, ein Infekt o. ä. wäre mir in dieser Situation lieber gewesen.
Folgende Fragen drehten sich immer wieder in meinem Kopf: Wie konnte es nur so weit kommen? Bin ich verrückt geworden? Wie geht es nun weiter?
Wenn ich ehrlich bin, gab es so einige Anzeichen, die ich ignoriert habe. Ich war die Wochen davor schon öfters genervt, hatte keine Lust mehr auf Dinge, die ich eigentlich gerne mache, war ständig müde, extrem gestresst und im Büro gab es dazu immer mehr Arbeit. Nebenbei haben Harry und ich noch ein Haus geplant, eine Hochzeit vorbereitet und Termine wahrgenommen, für die ich eigentlich keine Motivation und Zeit mehr hatte. Kurz gesagt: Es wurde mir alles viel zu viel! Nicht die einzelnen Punkte, sondern alles miteinander. Wenn ich dann noch an das letzte Jahr und die oben genannten emotionalen Schwierigkeiten denke, ist es doch kein Wunder, dass es soweit gekommen ist.
Burnout ist der Weg in die Depression und irgendwo zwischen diesen beiden Begriffen stehe ich wohl heute. Einen Begriff habe ich hierfür (noch) nicht.
Selbstfindungsphase? Fellwechsel? Midlife Crisis? Nennt es wie ihr wollt, einen Begriff für diese Situation habe ich für mich noch nicht gefunden. Niemals hätte ich mit solch einer Situation jemals gerechnet. Nicht dieses Jahr. Auch nicht die nächsten Jahre. Tatsächlich ist es gerade echt ungünstig, aber hey… Wann ist solch eine „Situation“ schon mal günstig? Wir haben 2019 so vieles vor, worauf ich mich sehr freue und trotzdem muss ich mich jetzt auch noch um MICH kümmern. Wieder ein Punkt mehr auf meiner Liste. Das habe ich nun davon.
Wie ich aus dieser Phase wieder rauskomme? Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht so genau. Alles hat mit Streß begonnen und jetzt versuche ich natürlich all das schnellstmöglich unter Streß wieder los zu werden. Ein Teufelskreis. Körperliche Schmerzen (Magenschmerzen, Kopfschmerzen) begleiten mich leider fast täglich. Aktuell mache ich noch Krankengymnastik, um die Verspannungen (und Kopfschmerzen) los zu werden. Yoga wurde mir mehrmals empfohlen. Also, versuche ich es im Frühjahr mal damit. Hilfe bei einem Profi habe ich auch schon gefunden. Ich bin also nicht untätig und liege nur zuhause auf der Couch und weine. Dieses Bild haben bestimmt viele im Kopf, wenn sie an solche Situationen denken. Nur lässt sich das Leben nicht von heute auf morgen ändern. Das braucht Zeit. Viel Zeit.
Aber wisst ihr was für mich aktuell sehr schwierig ist? Dass ich aktuell aus all diesen genannten Gründen nicht wie sonst am alltäglichen Leben teilnehmen kann. Ich bin zuhause und nicht wie sonst im Büro. Ich kann heute nicht einfach in die Stadt fahren, weil das für mich eine große Überwindung und sehr viel Kraft und Nerven kostet. Bei jedem Schritt begleitet mich irgendwie Angst und der Hintergedanken: „Schaffe ich das?“. Große Selbstzweifel und Stimmungsschwankungen überschatten viele Tage. Wenn ich jetzt schon an die kommenden Termine denke, überkommt mich wieder Angst (und Magenschmerzen). Zudem gibt es immer wieder Momente, in denen ich das Gefühl habe, die Welt bricht über mir zusammen.
An manchen Tagen kann ich ganz gut damit leben. Wie ihr lest, kann ich damit auch offen umgehen. Denn ich habe gelernt, wenn ich offen über meine Gefühle und Erfahrung spreche, öffnen sich auch andere Betroffene. Und so habe ich sogar im engsten Bekanntenkreis überraschenderweise Leidensgenossinnen gefunden, die sich vorher nicht getraut haben offen darüber zu sprechen. Einer muss eben den Anfang machen. Damit will ich auf keinen Fall Aufmerksamkeit. Ich möchte einfach jedem die Augen öffnen, dass so etwas öfters passieren kann, als man denkt und auch Menschen betrifft, von denen man es eben nicht gedacht hätte.
Wir sollten uns alle bei diesem Thema unterstützen, stärken und helfen. Wenn ich also nur einer Person mit diesem Beitrag das Gefühl von Angst nehmen kann und ihr zeige „Du bist nicht alleine“ – dann reicht mir das schon. Mir haben nämlich die Erfahrungsberichte anderer Betroffenen sehr geholfen und mir ein Gefühl von Hoffnung gegeben. Meine Hoffnung ist nämlich nicht verflogen. Ich hoffe jeden Tag, dass heute ein besserer Tag wird und ich bald wieder normal leben kann.
Ein Beitrag hat mich zu dem Thema sehr bewegt und diesen möchte ich euch nicht vorenthalten: Ein gebrochener Arm wäre offensichtlich… von Einfach Anne.
3 Comments
Janina
Hallo, danke für deinen sehr offenen Beitrag! Schön zu lesen irgendwie dass man nicht alleine ist, bei mir fing alles irgendwie 2014 an, heute geht es mir besser aber lange noch nicht gut! Ich drücke dir feste die Daumen dass es dir schnell besser geht! GlG, Janina
Elena
Hallo Nici
ich hatte auch lange Zeit einige dieser Symptome, und weißt du woran das bei mir lag? An der Pille! Nachdem ich sie abgesetzt hatte ging es mir soviel besser, psychisch wie körperlich. Könnte das bei dir auch der Fall sein? Ich konnte kaum glauben, dass die Lösung so einfach ist, habe mehrere Jahre gebraucht um zu dieser Erkenntnis zu kommen! Ich wünsche dir alles Gute